Liebe Geschwister,
am Donnerstag, den 25. Januar, wurden die Ergebnisse der ForuM-Studie veröffentlicht. Sie bietet eine eingehende Analyse zu sexualisierter Gewalt in unserer Kirche und Diakonie, zu den Strukturen und Bedingungen, die sie begünstigen.
Das Leid der Betroffenen, die Anzahl der Fälle und das institutionelle Versagen sind erschütternd. Wie viele andere fühle ich Entsetzen, Ärger und tiefe Scham angesichts dessen, was Menschen in unseren Gemeinden und Einrichtungen erleiden mussten. Als Betroffene Hilfe und Aufklärung suchten, stießen sie in unserer Kirche zu lange und zu oft auf taube Ohren – und sie erfahren dies noch immer: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Als evangelische Kirche sind wir unserem eigenen Anspruch im Umgang mit Betroffenen nicht gerecht geworden. Sexualisierte Gewalt gehört zur Schuld unserer evangelischen Kirche. Es braucht ein Hören auf die Betroffenen und darauf, was wir aus der Studie lernen können. Aufarbeitung ist die Voraussetzung, um sexualisierter Gewalt wirksam vorzubeugen. Betroffene haben ein Anrecht darauf. Und sie ist ein dauerhafter Prozess, den wir weiter verfolgen – ohne jedes Ansehen von Person und Institution.
Die Landessynode hat in ihrer Tagung vor anderthalb Wochen ihren klaren Willen bekundet, sexualisierter Gewalt in unserer Kirche klar und konsequent zu begegnen. Als Präses bitte ich Sie daher: Sprechen Sie das Thema offen an. Hören Sie Betroffenen zu. Helfen Sie aufzuklären und vorzubeugen.
Zugleich möchte ich Sie bitten, gemeinsam in Stille und Gebet das Leid der Betroffenen vor Gott zu bringen.
Dr. Thorsten Latzel,
Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
Eine Minute STILLE
Gott,
Du siehst das Leid und Unrecht, das Menschen erleiden mussten:
in unseren Gemeinden, in unseren Einrichtungen, in unserer Kirche.
Du weißt auch, wie oft ihnen nicht zugehört oder geglaubt wurde.
Wir bitten dich für alle, die sexualisierte Gewalt erleiden mussten:
Lindere die tiefen Verletzungen ihrer Seele.
Lass sie offene Ohren und Hilfe finden.
Stell ihnen Menschen an die Seite, die sie begleiten und stärken.
Und lass uns selbst solche Menschen für andere sein.
Wir bitten dich für unsere Kirche und unsere Gemeinden:
Mach ein Ende mit allem Wegsehen und nicht Wahrhaben wollen.
Schenk uns den Mut, aufzuklären, nachzufragen, vorzubeugen.
Nur die Wahrheit wird uns freimachen.
Gott, hilf uns einzukehren, um umzukehren.
Vergib uns, wo wir Betroffenen nicht gerecht geworden sind.
Schenk uns deinen Geist der Wahrheit
und mach uns frei von den falschen Idealbildern von uns selbst.
Das bitten wir dich durch Jesus Christus,
deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn.
Amen
Liebe Gemeinde,
Sie alle haben mitbekommen, dass sexualisierte Gewalt in Institutionen und damit leider auch in Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt. Auch im Kirchenkreis Moers sind solche Vorfälle bekannt. Zuletzt hat die Stadtkirche eine Studie veröffentlicht, in der es um Vorfälle im Martinstift in den 1950er Jahren ging, als das Martinstift ein evangelisches Schülerheim war.
Da viel zu lange über Vorfälle dieser Art geschwiegen wurde, sie ja sogar teilweise vertuscht wurden, ist es enorm wichtig, dass wir uns von der Kultur des Wegsehens zu einer Kultur des Hinsehens bewegen.
Aus diesem Grund sind alle Institutionen, in denen Menschen aufeinandertreffen, beauftragt, ein Schutzkonzept zu erstellen. Das gilt für Schulen, Kindertagesstätten, Begegnungsstätten, ...
Also natürlich auch für Kirchengemeinden! Im Presbyterium wurde ein solches Konzept erstellt, wobei wir hier ganz besonders Kerstin Lehnert danken möchten, die an diesem Konzept den Hauptanteil der Arbeit hatte. Ganz wichtig ist, dass dieses Konzept sich an ALLE richtet, die hier ein und aus gehen, und dass dieses Konzept auch dem Schutz ALLER dient. Es geht hier nicht nur um Kinder- und Jugendliche, sondern um Schutzbefohlene jeglicher Art.
Unser Schutzkonzept beschäftigt sich mit der Frage: Wie können wir unsere Schutzbefohlenen bestmöglich schützen?
Es zeigt uns Handlungsschritte zur Aufklärung und Aufarbeitung von Verdachtsmomenten, es gibt uns Dokumentationsmöglichkeiten und Ansprechpartner. Es dient u. a. dazu, unsere Kirchengemeinde als Schutzraum, aber auch als Kompetenzort zu erleben, an dem Menschen die Hilfe erhalten, die sie benötigen.
Dieses Schutzkonzept soll einen Beitrag zum respektvollen und achtsamen Umgang miteinander leisten und uns alle stark machen dafür, Hinzusehen! Mit diesem Konzept soll uns eine Hilfe an die Hand gegeben werden: Was mache ich, wenn ….!! Dafür sind in diesem Konzept „Wegweiser“ enthalten, die uns sagen, an wen wende ich mich, wenn…
Ein weiterer Baustein dieses Konzeptes ist, dass wir unsere Ehrenamtlichen stark machen und schulen. Das ist keine Scherpenberger Idee, sondern eine Vorgabe der Landeskirche, hinter der wir aber voll und ganz stehen. Das bedeutet, dass wir alle Ehrenamtlichen bitten, an Präventionskursen teilzunehmen, in denen man darin geschult wird, mit schwierigen oder verfänglichen Situationen umzugehen, und auch lernt: „Was mache ich, wenn...“.
Auch das Presbyterium hat schon an einer solchen Schulung teilgenommen.
Darüber hinaus erbitten wir von allen Ehrenamtlichen ein erweitertes Führungszeugnis. Wir haben lange darüber diskutiert, von wem wir eines brauchen, von wem nicht, usw. und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir das von ALLEN Ehrenamtlichen erbitten.
Für ein Führungszeugnis benötigen Sie einen Termin beim Bürgerservice, Ihren Personalausweis und ein Schreiben unserer Gemeinde, aus dem hervorgeht, dass Sie hier ehrenamtlich tätig sind und von uns aufgefordert wurden, ein Führungszeugnis vorzulegen. Dieses Schreiben erhalten Sie bei Frau Kehrein im Gemeindebüro. Mit diesem Schreiben entstehen Ihnen keine Kosten!! Der Termin beim Bürgerservice dauert keine 5 Minuten!!
Wir wissen, dass das alles aufwendig ist und wir hören auch die Stimmen, die sagen: Mach ich nicht, ich brauch so etwas nicht. Wenn wir so etwas brauchen, dann haben wir bald keine Ehrenamtlichen mehr…
Wir haben aber keine Alternative: Wir wollen zeigen, dass wir hier in Scherpenberg unser Möglichstes tun, um sexualisierter Gewalt oder auch jeglicher Form von Gewalt entgegenzutreten, darauf zu reagieren, nicht wegzuschauen!!
Unsere dringliche Bitte: Helfen Sie mit, unser respektvolles Miteinander zu unterstützen und zu gestalten. Melden Sie sich für die Präventionskurse an und helfen Sie mit, die Menschen zu überzeugen, die unserer Bitte noch nicht nachkommen möchten.
Ihr/euer Presbyterium