Liebe Gemeinde,
„Ich habe den guten Kampf gekämpft. Ich bin am Ziel des Wettlaufs angekommen. Ich habe treu den Glauben bewahrt. Nun wartet auf mich der Siegeskranz der Gerechtigkeit.“ (2. Tim 4,7.8a, Basisbibel)
So schaut der fiktive Paulus des 2. Briefs an Timotheus auf sein Leben zurück. Und es ist ein versöhnlicher Rückblick, voller Hoffnung auf das Zukünftige. Beides wird von den anstehenden Feiertagen aufgenommen: der dankbare Rückblick am Erntedankfest, die Hoffnung auf das kommende Reich Gottes zum Ende des Kirchenjahres. Und doch wird in diesen Versen auch deutlich, dass es nicht immer einfach war. Das Leben wird mit einem Wettlauf verglichen. Wen galt es zu schlagen? Oder ging es vor allem darum anzukommen? Gute Ziele hat der Mensch gehabt, für die er gekämpft hat. Ob er noch weiterkämpft? Es klingt wie abgeschlossen. Doch es ist die Aussage eines Lebenden. Und für uns Lebende steht so der Wettlauf und Kampf noch an.
Ich schreibe diese Andacht am 2. September. Am Tag nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen, am Tag nach dem 85. Jahrestag des Ausbruchs des 2. Weltkriegs. Und ich sehe: Das, was mir wichtig ist – dass alle in ihrer Verschiedenheit gut zusammenleben können – wird immer schwieriger, weil ein Teil der Gesellschaft keine Verschiedenheit mehr haben will, sondern sich nach völkischer Gleichförmigkeit sehnt. Ein Wettlauf um Freiheit, Grundrechte, Sicherheit steht an. Gleichzeitig merke ich, wie Sorgen und Ängste mich zu lähmen drohen.
„Ich habe treu den Glauben bewahrt.“ Ich möchte angesichts von Terror, Angst und Hass gegen Fremdes, das doch häufig gar nicht mehr fremd sein sollte, meinen Glauben bewahren – meinen Glauben an das Gute im Menschen, dass es sich lohnt, aufeinander zuzugehen, offen zu sein und dass es wichtig ist auch Unterschiede wertzuschätzen und auszuhalten. Doch Toleranz muss da enden, wo Menschen andere Menschen vertreiben, erniedrigen, entrechten oder gar vernichten wollen. Also lassen Sie uns dankbar zurückschauen und im festen Vertrauen auf unseren Gott, der alle Menschen geschaffen hat und liebt, den Kampf aufnehmen und auf Gottes Reich hinarbeiten. Damit alle Christ*innen schon jetzt etwas vom Anbruch des Reiches Gottes bemerken können.
Ihr
Pfarrer Yannick Barnekow